Der Vedutenmaler Johann Martin Morat (1805–1867) hat ab den 1820er Jahren Orte und Bauten seiner Heimat Südbaden und der angrenzenden Schweiz im Bild festgehalten. Bekannt sind mehr als 90 Ansichten, die er sehr genau nach der Natur abgezeichnet und mit deckenden Gouachefarben zum Leuchten gebracht hat.
Seine Blätter sind als historische Dokumente von großer Bedeutung, da sie das damalige Aussehen seiner Motive noch vor bzw. kurz nach Erfindung der Fotografie zuverlässig überliefern. Tatsächlich hat Morat von manchen kleineren Orten die frühesten Ansichten überhaupt, von größeren die für das frühe 19. Jahrhundert genauesten Darstellungen geschaffen.
Die Gouachen zeichnen sich durch eine ganz eigene Ästhetik aus, die sachliche Ortswiedergabe mit dem Charme naiver Malerei verbindet und durch eine leuchtende Farbigkeit bestimmt ist. Charakteristisch ist der immer blaue Himmel, an manchen Stellen ins lichte Weiß und zarte Rosa übergehend. Morat hat damit einen Blick auf Stadt und Landschaft geprägt, der seine Werke zu Ikonen badischer Identität werden ließ.
Freiburg, Staufen, Münstertal
Morat ist von seinem Heimatort Stühlingen nah der Schweizer Grenze entlang der Rheinebene bis nach Freiburg gelangt. Von Herdern aus hat er um 1830 den Blick auf die Breisgaumetropole in verschiedenen Varianten festgehalten. Seltene Zeichnungen dokumentieren, wie er seine Ansicht vorbereitet und bei einem zweiten Aufenthalt aktualisiert bzw. um Gebäude ergänzt hat. Oft hat Morat einen Ort aus verschiedenen Blickwinkeln festgehalten, zum Beispiel bei Staufen.
Das Wiesental
Morats Reiserouten folgten dem Verlauf der Täler. Noch vor dem Ausbau der Eisenbahn bereist er mit der Postkutsche das Wiesental bis hinauf ins bergige Zell. Seine Ansichten spiegeln die starke Veränderung des Tals durch die boomende Textilindustrie wider. Morats Blick auf die Industrialisierung ist nicht kritisch. Er sieht sie nicht als Beeinträchtigung einer intakten Landschaft, sondern bezieht sie als objektiver Chronist ganz selbstverständlich in seine Bildwelt ein.
Auf dem Schwarzwald
Auch abgelegene Orte im Hochschwarzwald hat Morat in Gouachen festgehalten. Oft sind seine Blätter die ersten verlässlichen Darstellungen dieser Orte überhaupt. Auffällig sind bisweilen die im Unterschied zu heute unbewaldeten Höhen, Ergebnis des Kahlschlags und Folge der übermäßigen Holzausnutzung des Waldes durch Handwerk, Industrie und Flößerei. Den aufkommenden Schwarzwaldtourismus hat Morat sicherlich registriert und sein Motivangebot darauf abgestimmt.
Der Hochrhein
Der Abschnitt des Rheins zwischen Basel und dem Bodensee wird als Hochrhein bezeichnet. Schon zu Morats Zeiten markierte der Fluss die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz. Er ist integraler Bestandteil, nicht nur der Landschaft, sondern auch des Stadtbildes. Von Säckingen bis Kadelburg folgt der Maler dem Fluss, der immer wieder anders in Erscheinung tritt. Sicherlich versprach sich Morat eine große Nachfrage nach seinen hochrheinischen Motiven, da die Städte am Fluss spätestens mit der Ankunft der Eisenbahn vermehrt touristisch erschlossen wurden.
Entlang der Wutach
Von seinem Geburtsort Stühlingen aus waren für Morat die Orte entlang der Wutach und im Klettgau naheliegende Motive. Da der Aufwand der Anreise in seiner Heimatregion überschaubar war, hat Morat auch kleinere Ortschaften dargestellt, auch wenn dort nur wenige Abnehmer seiner Blätter zu vermuten waren. Das Hauptaugenmerk des Künstlers gilt dabei mehr der Landschaft als dem Ortsbild, wobei Morats Tendenz zur Panorama-Ansicht deutlich wird.
Am Bodensee
Mit dem Schiff erreichte Morat den Bodensee – den östlichen Rand seiner Reiseroute. Der See war beliebter Anziehungspunkt für Künstler, die seine Uferstädte aufsuchten und seine Idylle ins Bild setzten. Morat wählt hier einen Standpunkt nahe am Wasser oder sogar auf einen Boot, um die Orte realitätsgetreu vom See aus zu porträtieren.
Ausstellungskatalog
Blauer Himmel über Baden: Ortsansichten des 19. Jahrhunderts von Johann Martin Morat. Hrsg. von Felix Reuße für die Städtischen Museen Freiburg, Augustinermuseum. Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag 2019.