David Schnell

"Schnitt", 2012

Über das Objekt

In David Schnells großformatiger Radierung ziehen sich Fragmente einer Stadt-Landschaft – steinern anmutende Quaderflächen und Metallstangen – in einer Art Krater oder Graben zentralperspektivisch in die Ferne, auf eine Kirchturmspitze in Miniaturgröße zu. Das Ganze ist eingebettet in ein wildes schwarz-weißes Bildgefüge aus Rechteckflächen und abstrakten bimorphen Formen, die partiell an Wolken oder Buschwerk erinnern.
weniger sehen mehr sehen
Treten Sie ruhig einmal näher an die Graphik heran, um diesen Formen und Flächen nachzuspüren! Erst dann wird einem der ganze Nuancenreichtum der schwarz-weiß-grauen Gestaltung bewusst, die auf die Aquatinta-Radierung zurückzuführen ist: ein Tiefdruckverfahren, das auf einer durch Ätzung entstehende Rasterkörnung der Platte basiert – ein enorm aufwendiger Herstellungsprozess, der höchste Konzentration und stundenlange Beschäftigung erfordert. Da Aquatintaplatten besonders empfindlich sind, können nie mehr als 20 qualitätsvolle Abzüge zustande kommen, wie es auch der Fall bei dieser Auflage von David Schnell ist. Ob in seinen Originalgrafiken oder seinen großformatigen farbigen Ölgemälden: David Schnells Bildwelten hinterlassen vielfach den Eindruck von wild durcheinanderwirbelnden, gar nicht einfach zu verordnende Puzzelteilen, die wie Versatzstücke aus analoger und digitaler Welt erscheinen. Sie lassen uns Betrachter_innen stets ein Stück weit in der Schwebe zwischen kleinen, greifbaren und damit irgendwie doch noch „real“ wirkenden Elementen einerseits und dem großen, scheinbar unfassbaren Cyber Space anderseits. In seiner Kunst gelingt es David Schnell meisterlich, traditionelle Themen (vielfach die Landschaft) und Techniken (Ölmalerei oder eben auch klassische Drucktechniken) zu nutzen, sie gleichzeitig aber immer auch bewusst zu brechen. Der Künstler bedient zum Beispiel klassische Vorstellungen von Horizont und Perspektive und verleiht seinen Werken damit eine fast schon fabulöse Aura von Renaissance-Meisterwerken. Dieses traditionalistische Moment wird jedoch von modernistischen, scharfkantigen Formen unterlaufen, die in die Bildflächen hineindrängen und wie digitale Fehlfunktionen oder - um noch mit dem Analogen zu sprechen – wie zerberstende Spiegelscherben wirken. David Schnells Werke fungieren damit als Mediationen über Chaos und Ordnung, über architektonische und natürliche Strukturen wie auch über Vergangenheit und Zukunft.  Der Künstler ist Jahrgang 1971 und machte sich zur Jahrtausendwende als Protagonist der sogenannten Neuen Leipziger Schule einen Namen, der ihn auch international bekannt machte. Gabriele Rauschning erwarb diese Arbeit 2017, nachdem sie bereits 2010 die kleinere Radierung „Bahn“ gekauft hatte. Diese finden Sie an der letzten Wand der Ausstellung, im Dreiklang neben zwei anderen zeitgenössischen Landschaftsdarstellungen von Arnulf Rainer und Gerhard Altenbourg. (Text: Verena Faber)

Objektdaten

Ihre Nachricht

Ihre Nachricht zum Objekt

Ihre Nachricht zur Person