Unbekannt

1887 - 1919

Über das Objekt

Blackbirding [Sklavenhandel]

Über Jahrhunderte hinweg teilten die pazifischen Inselnationen wechselseitige Handels- und Reiserouten miteinander, indem sie über den Ozean mit Hilfe der von ihren Vorfahren überlieferten Methoden der Wegfindung navigierten. Zu den Tauschobjekten gehörten Matten, Federn, Schmuck und technisches Wissen, um nur einige zu nennen. Als die Menschen aus der westlichen Welt in Sāmoa ankamen, wurden diese überaus bewährten Beziehungen durch neue koloniale und kapitalistische Absichten unterbrochen und manchmal sogar gekappt. Natürliche Ressourcen wurden schnell zu Handelsgütern. Diese wurden bis nach Europa verschifft, um dort zu Kokosöl verarbeitet zu werden.
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Um Exportunternehmen auf sāmoanischem Boden gründen zu können, tauschten europäische Geschäftsleute Waffen gegen Land, indem sie fragwürdige Deals zu ihrem eigenen Vorteil abschlossen. Auf diese Weise machten sie sich das politische Umfeld zunutze in einer Zeit von inneren Unruhen und des Kampfes um den Titel des Häuptlings unter den Sāmoanern, um die einheimische Bevölkerung auszubeuten. Das erste Exportgeschäft von einem Europäer wurde 1855 von J. C. Godeffroy & Sohn gegründet, aus dem nach dessen Konkurs 1878 die Deutsche Handels - und Plantagengesellschaft (DH & PG) hervorging. Zu den gehandelten Waren gehörten Kokosnüsse, Kakao und Kautschuk. Später wurde auch Baumwolle eingeführt und verarbeitet, was wiederum eine Transformation der materiellen Kultur Sāmoas zur Folge hatte.
Der im Pazifik errichtete Handel war anfällig für Schwankungen und hatte weitreichende Auswirkungen. Nachdem die Unternehmen gegründet und in Betrieb genommen worden waren, standen auf Sāmoa schon bald zu wenige Arbeitskräfte zu Verfügung, um den wachsenden Bedarf der Unternehmen zu decken, deren Geschäfte immer mehr an Fahrt aufnahmen. Daher suchten die Kolonialmächte anderswo nach Arbeitskräften. J.C. Godeffroy & Sohn und andere Handelsunternehmen im Pazifik begannen, Arbeiter durch Täuschung oder mit Gewalt zu importieren, was auch unter dem Begriff Blackbirding bekannt ist. Der Begriff beschreibt den Prozess der Versklavung von Männern, Frauen und Kindern und deren Verschleppung in andere Länder zu meist unbezahlter Arbeit. Dieser Sklavenhandel, der im 19. und 20. Jahrhundert im gesamten Pazifikraum gang und gäbe war, führte zur Vertreibung und Enteignung ganzer Völker, um den Mangel an Arbeitern auf den Plantagen zu decken. In Sāmoa setzte die deutsche Handelsgesellschaft DH & PG das Blackbirding von J. C. Godeffroy & Sohn fort. Papua-Neuguinea und die Salomonen fielen den gewaltsamen Amselkreuzzügen zum Opfer. In Sāmoa wurden diese zwangsverpflichteten Arbeiter als “Tama Uli“, “schwarze Jungs“, bezeichnet. Chinesische Arbeiter, die “Coolies“ [Tagelöhner] genannt wurden, wurden importiert und beschäftigt, wenn auch, einigen Berichten zufolge, im Austausch gegen eine gewisse finanzielle Entschädigung.
Während der Arbeit auf den Plantagen wurden die per Blackbirding verschleppten Arbeiter von ihren selbsternannten Besitzern misshandelt, bestraft und streng kontrolliert. Rassistisch motivierte Vorurteile gegen sie, die von Europäern und Amerikanern gehegt wurden, fanden Einzug in die indigene sāmoanische Gemeinschaft. Es existieren keinerlei visuelle Beweise, dass versklavte Einzelpersonen und Gruppen mit der indigenen sāmoanischen Bevölkerung, geschweige denn mit der europäischen Siedlergemeinschaft, Umgang hatten, was auf getrennte Lebensweisen außerhalb der Arbeit hindeutet. Als Neuseeland 1914 die Verwaltung von Sāmoa übernahm, blieb die von den Deutschen übernommene versklavte Gemeinschaft größtenteils in Sāmoa und diente weiterhin, in diesem Fall der britischen Krone.
Dieses Foto zeigt einen verschleppten Arbeiter auf einer der Kopra-Plantagen der DH & PG. Er steht neben einem Arbeitspferd, auf dem ein mit geernteten Kokosnüssen beladener Karren mit Gurten festgeschnallt ist. Im Hintergrund ist zwischen dicht gepflanzten Palmen ein Lagergebäude zu erkennen, außerdem weitere Arbeiter, die möglicherweise ebenfalls aus Papua-Neuguinea oder von den Salomonen stammen. Das Foto wurde wahrscheinlich in den 1890er-Jahren aufgenommen und zeigt das koloniale Vermächtnis des Sklavenhandels in Sāmoa. Der Fotograf ist unbekannt.

Übersetzung: Uli Nickel

Objektdaten

Literaturhinweise

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Holger Droessler: Coconut Colonialism: Workers and the Globalization of Sāmoa. 2022.
Peter Swain: Fono: the contest of the governance of Sāmoa. 2022.
Robert MacKenzie Watson: History of Sāmoa. 2021.

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