Unbekannt

1887 - 1919

Über das Objekt

Bei der Frau, die auf diesem Foto im Kabinettformat abgebildet ist, handelt es sich um Josephine "Sose" Yandall Rasmussen Hunkin. Sie wurde 1864 als eine von vier Töchtern eines sāmoanischen Vaters aus Afega, Upolu, und einer britischen Mutter geboren. Ihr Großvater mütterlicherseits war der britische Siedler und Seefahrer William Yandall. Soses Schwester, Blanche Saina, war mit dem neuseeländischen Fotografen Alfred James Tattersall verheiratet, der einen bedeutenden Beitrag zur visuellen Geschichte von Sāmoa geleistet hat. Die Nummer oben auf dem Foto ist typisch für die von Alfred James Tattersall verwendete fortlaufende Codierung und lässt darauf schließen, dass es von ihm aufgenommen wurde. Tattersall schloss sich 1886 dem von seinem Fotografenkollegen John Davis gegründeten Atelier in Apia an und nahm dieses Porträt wahrscheinlich nach 1886 auf, als Sose Ende 20 Jahre alt war. Sie trägt europäische Kleidung und Schmuck. Ihr westenartiges Kleid mit gemusterten Platten auf dem Mieder ist am Kragen mit einer Brosche mit der Aufschrift "Josephine" besetzt.
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Sose war zweimal verheiratet. In erster Ehe war sie mit dem dänischen Seemann Peter Rasmussen verheiratet, einem Manager der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft (DH & PG), der die Plantage in Mulifanua beaufsichtigte. Das Paar bekam 1887 einen Sohn, Uati Arthur Rasmussen, und ließ sich 1889 scheiden. In zweiter Ehe heiratete Sose den britisch-sāmoanischen Händler Alfred Hunkin, mit dem sie drei Kinder hatte.
Ehen zwischen Sāmoanerinnnen bzw. Sāmoanern und Mitgliedern einer wachsenden europäisch-amerikanischen Bevölkerung waren Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts in Sāmoa durchaus üblich. Nachkommen gemischter Abstammung, wie Sose, wurden als "afakasi", als “Halbblut“ oder “Mischling“ bezeichnet. Teil zweier Kulturen zu sein bedeutete, dass afakasi zwischen zwei Welten wandelten: eine, die tief in Fa’asāmoa, der sāmoanischen Lebensweise, verwurzelt war, und eine, in der sich alles um die Überzeugungen und Prinzipien der europäisch-amerikanischen Siedler drehte. Dennoch erwies sich die Versöhnung beider Kulturen zuweilen als schwierig, da sie ständig gegeneinander ausgespielt wurden. Während die Fa'asāmoa bereits vor dem Kontakt existierte, brachten die europäisch-amerikanischen Siedler ihre eigenen Ideologien mit und setzten schon bald nach ihrer Ankunft neue Standards für das Zusammenleben in einer Gesellschaft durch. In Anlehnung an die westliche Rassenkunde und -politik etablierten die europäisch-amerikanischen Siedler schon bald eine Hierarchie, die sie und ihre Werte über die der Fa'asāmoa stellte, während die indigene sāmoanische Bevölkerung herabgewürdigt wurde. Mischehen zwischen Sāmoans und europäisch-amerikanischen Siedlern sorgten jedoch dafür, dass diese klare Trennungslinie immer mehr verschwomm. Zudem stellten Afakasi, die zu keiner beiden Kategorien gehörten, diese Rassendichotomie zunehmend in Frage.
Im Laufe der Kontakte zwischen Sāmoanern und Europäern bzw. Amerikanern veränderte sich die westliche Rassenpolitik und Wissenschaft. Mitglieder der sāmoanischen Gemeinschaft wurden von den europäisch-amerikanischen Siedlern entweder als Landsleute gefeiert oder als Wilde betrachtet. Zudem sahen sie sich mit ständig wechselnden politischen Einstellungen konfrontiert. Insbesondere die Identität und die Rechte der Afakasi wurden von europäisch-amerikanischen Beamten ständig hinterfragt. Im Jahr 1912 wurde von der deutschen Verwaltung unter Wilhelm Solf ein Verbot von Mischehen durchgesetzt. Nicht registrierte Kinder gemischter Abstammung wurden fortan als unehelich registriert und konnten sich nicht auf den “Ausländer“-Status ihres europäisch-amerikanischen Vaters berufen. Dementsprechend wurden die Afakasi ihrer gesellschaftlichen Privilegien beraubt.
Die voreingenommene Rassenpolitik wirkte sich im kolonialen Sāmoa in vielerlei Hinsicht zugunsten der europäisch-amerikanischen Siedlergemeinschaft aus. Als Reaktion darauf mobilisierten und organisierten die Sāmoaner in den 1920er-Jahren die Mau-Bewegung, eine friedliche Widerstandsbewegung, die sich für die Autonomie und Selbstbestimmung der Sāmoaner einsetzte.

Übersetzung: Uli Nickel

Objektdaten

Literaturhinweise

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Richard Eves: ‚Black and white, a significant contrast’: Race, humanism and missionary photography in the Pacific. In: Ethnic and Racial Studies Journal. 2006, S. S. 725-748.
Toeolesulusulu Damon Salesa: Half-castes between the wars: colonial categories in New Zealand and Samoa. In: New Zealand Journal of History. 2000.
Evelyn Sarah Wareham: Race and Realpolitik: the politics of colonisation in German Sāmoa. 1997.
Ministry for Culture and Heritage: ‚Olaf Nelson and the place of afakasi in Samoa‘. URL: https://nzhistory.govt.nz/media/photo/olaf-nelson-and-place-afakasi-samoa. .

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