Wir möchten Benutzer*innen der Online-Sammlung darauf aufmerksam machen, dass einige historische Fotografien Darstellungen und Betrachtungsweisen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts widerspiegeln und damit Menschen auf eine Weise dargestellt werden, die heute als verletzend angesehen werden kann. Bei der Betrachtung, Veröffentlichung und Nachnutzung historischer Fotos bitten wir daher die folgenden Hinweise zu beachten.

Über Adolf Vollbrandt 

Bevor er Medizin in Freiburg studierte und als Arzt praktizierte, war Adolf Vollbrandt Kaufmann bei Blohm & Voss, einer Schiffswerft, die Ende des 19. Jahrhunderts in Hamburg ansässig war. Wie im Jahrbuch von 1922 dokumentiert, war er Mitglied der örtlichen Schiffbaubehörde. 1887 reiste Adolf nach Sāmoa, um einen neuen Handelsposten für Blohm & Voss zu errichten. 

Während seines Aufenthalts wurde er zu einem der Gründungsmitglieder der deutschen Schule in Apia und bekleidete die Ämter des Sekretärs und des Kassenwarts. Nach seiner Rückkehr hielt er öffentliche Vorträge über seine Reisen unter dem Titel "Drei Jahre unter Südseeinsulanern". Der erste wurde am 30.3.1924 für den Arbeiterbildungsverein an der Universität Freiburg gehalten, gefolgt von einem zweiten am 8.11.1926, organisiert vom Pensionärsverein.

Über die Sammlung und das Album 

Bei der Sammlung Adolf Vollbrandt handelt es sich um eine private Auswahl von 76 Glasnegativen, die dem Museum Natur und Mensch in Freiburg 2019 vom Enkel des Sammlers geschenkt wurde. Über die ursprüngliche Zusammenstellung, den Erwerb und die Beschaffenheit ist wenig bekannt. Die Sammlung gibt einen fragmentarischen Einblick in die visuelle Geschichte von Sāmoa während der kolonialen Besiedlung. Sie präsentiert die materielle Kultur der Sāmoaner*innen, Bräuche und prominente Persönlichkeiten ebenso wie politische Ereignisse und Veränderungen sowie europäisch-amerikanische Einflüsse.

Das Online-Album hat sich zum Ziel gesetzt, Verbindungen zwischen den fotografierten Menschen und Orten, den Fotografen und dem kolonialen Narrativ aufzuzeigen. Es liefert Informationen zu den abgebildeten Szenen und ordnet sie in den breiteren historischen Kontext von Sāmoa ein. Jedes Foto wird von einem reflektierenden Text begleitet, der sich auf kritische Einsichten und zeitgenössisches Wissen über die Kolonialgeschichte stützt. Die Texte sind jedoch nicht als umfassend zu betrachten. Vielmehr sollen die Interpretationen dazu beitragen, alternative Perspektiven auf die Kolonialgeschichte und die Praxis der Fotografie zu beleuchten.

Personen

Die in der Sammlung Adolf Vollbrandt porträtierten Frauen, Männer und Kinder stammen aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Einige von ihnen sind sāmoanische Matai (Häuptlinge) oder deren Verwandte, die eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der europäischen Besatzung und der Beeinflussung der Geschichte und Dynamik der lokalen Community Sāmoas spielten. 

Die Sammlung umfasst auch Personen mit vielleicht weniger prominenter gesellschaftlicher Zugehörigkeit. Dennoch bleibt ihre Rolle für das Funktionieren einer bikulturellen Gesellschaft von entscheidender Bedeutung. Unter ihnen befinden sich Vertreter beider Gemeinschaften, die als Brückenbauer zur Vermittlung zwischen der indigenen und der europäisch-amerikanischen Welt beigetragen haben. Zudem werden Gruppen europäisch-amerikanischer Männer präsentiert, die einen weiteren Einblick in die koloniale Besatzung geben. 

Die unterschiedlichen sozialen Hintergründe und Rollen, die in der Sammlung gezeigt werden, tragen zu einem differenzierten Verständnis des komplexen Zusammenspiels zwischen verschiedenen Gesellschaftssegmenten während der kolonialen Besiedlung bei.

Orte

Sāmoa ist eine Inselgruppe im Pazifischen Ozean. Vor 1900 umfasste sie auch die Inseln, die heute als Amerikanisch-Sāmoa bekannt sind. Apia, die größte Stadt und Hauptstadt des Archipels, liegt auf der Insel Upolu und ist seit der Besiedlung durch die Sāmoaner ein pulsierendes Zentrum des Handels und sozialer Aktivitäten. Der angrenzende Hafen übte Anfang des 19. Jahrhunderts eine große Anziehungskraft auf viele europäisch-amerikanische Seeleute aus, was zu einer starken Ausbreitung der Stadt entlang der Küste führte und das Stadtbild für immer veränderte.

Die Fotografien in der Adolf-Vollbrandt-Sammlung sind überwiegend in und um Apia aufgenommen. Sie bieten eine visuelle Reise durch die historische Landschaft der Stadt und zeigen verschiedene Wahrzeichen und bedeutende Orte, die sowohl für die einheimischen Sāmoaner als auch für die europäisch-amerikanischen Communities von großer Bedeutung waren. Die Fotografien zeigen eine Gemeinschaft im Wandel. Sie bieten Einblicke in die politischen Spannungen einer bikulturellen Gesellschaft im Sāmoa des 19. Jahrhunderts.

Koloniales Vermächtnis 

Die Ankunft der Siedler führte zu erheblichen Veränderungen im sozialen Gefüge Sāmoas. Als die Neuankömmlinge die Inseln betraten, brachten sie unterschiedliche Bräuche, Ideen und Erwartungen mit, die darauf abzielten, Sāmoa zu transformieren. Die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Deutschland wetteiferten um die Kontrolle über die Inselgruppe. Sie zogen Grenzen dort, wo es ihren kolonialen Interessen entsprach, und führten neue Herrschaftssysteme ein. Diese imperialen Streitigkeiten, die weit entfernt von der jeweiligen Heimat ausgetragen wurden, verschärften die Spannungen innerhalb der indigenen Community, wodurch sie den Unmut innerhalb der etablierten Familiennetzwerke und die Entfremdung von der Verwandtschaft förderten.

Die Sammlung Adolf Vollbrandt dokumentiert einige der historischen Ereignisse, die durch das Aufeinandertreffen zweier Welten entstanden. Trotz vieler Herausforderungen passte sich die sāmoanische Bevölkerung an, gestützt auf die jahrhundertealte Weisheit ihrer Vorfahren, leistete aber auch Widerstand. Entgegen dem vorherrschenden historischen Narrativ, das Sāmoa als Opfer darstellt, haben sich die Sāmoaner als widerstandsfähiges Meeresvolk erwiesen, das verschiedene Facetten der Widrigkeiten in ihrer Geschichte gemeistert hat.

Danksagung 

Dieses Forschungsprojekt ist ein Gemeinschaftswerk und enthält Beiträge von:

Forscherteam: 
Heike Gerlach (Museum Natur und Mensch) 
Safua Akeli Amaama (Te Papa Tongarewa) 
Sean Mallon 
Athol McCredie (Te Papa Tongarewa) 

Unterstützung durch Te Papa Tongarewa:
Gareth Watkins (Te Papa Tongarewa)
Grace Hutton (Te Papa Tongarewa)
Martin Lewis (Te Papa Tongarewa)
Leann Williams (Te Papa Tongarewa)
Anita Schrafft (Te Papa Tongarewa)
Kim McClintock (Te Papa Tongarewa)
Amy Phillips (Te Papa Tongarewa)
Courtney Powell (Te Papa Tongarewa)
Claire Regnault (Te Papa Tongarewa)
Jane Harris (Te Papa Tongarewa)
Emelither Kihleng (Te Papa Tongarewa)
Alexander Gordon (Te Papa Tongarewa) 

Deutsche Institutionen:
Gerrit Menzel (Internationales Maritimes Museum Hamburg)
Dr. Jeanette Kokott (Museum am Rothenbaum)
Susanne Walther (Museum am Rothenbaum)
Dr. Olaf Matthes (Museum für Hamburgische Geschichte)
Volker Reissmann (Staatsarchiv Hamburg)

Einzelpersonen: 
Emily Parr
Tony Brunt
Reinhardt Wendt
Hilke Thode-Arora 
Peter Hempenstall

Übersetzung: 
Uli Nickel

Weiterführende Literatur:

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