Seit Beginn des Jahres 2020 prägt die COVID-19 Pandemie unser aller Leben. Der Virus hat global enorme Verluste gefordert und ist eine der schwerwiegendsten gesundheitlichen, wirtschaftlichen und humanitären Krise unserer Zeit.

Allgegenwärtig sind Schutzmasken das Symbol der Pandemie geworden, sie dienen unserem Schutz und dem Schutz derer um uns herum. Sie sind aber auch Ausdruck der Resilienz, der Persistenz, des Protestes, religiöser oder spiritueller Praktiken und kreativer und künstlerischer Stimmen in einer Zeit der Krise.

Die Ethnologische Sammlung sammelt seit 2020 Covid-Masken, die einerseits Zeitzeugnisse unterschiedlichster Alltagsmasken und/oder andererseits der kreativen Auseinandersetzung von Künstler_innen aus verschiedenen Regionen der Welt mit der Pandemie sind. Entdecken Sie die jüngsten Eingänge in die Ethnologische Sammlung und die mit den Masken verbundenen Geschichten.

1. Traditionell künstlerische Masken

Die jahrhundertealte Tradition der Chilkat-Webkunst und die aktuelle COVID-19-Pandemie treffen aufeinander: Die Tlingit Künstlerin Lily Hope aus Juneau, Alaska fertigte die wunderbare Maske, „Chilkat Protector“, für die Ethnologische Sammlung MNM als künstlerisches Zeitzeugnis der Auseinandersetzung mit der globalen Pandemie und Zeichen indigener Resilienz:

„In the future people will know we were here, we took care of each other, we survived“ (Lily Hope, 2020).
"For hundreds of years now, Chilkat Blankets have documented history, clan migration, and sto-ries for the Indigenous peoples of the Northwest Coast of America & Canada. “Chilkat Protector” serves as a record of this time. In the future people will know we were here, we took care of each other and we survived. We are still weaving. This original design is modeled from the traditional Chilkat face found in most Chilkat Dancing Blankets/Robes, modified to be worn on the human face similar to a COVID-19 protective mask. This mask is not intended for daily use. It is woven to document history. Materials used: Thigh (hand-) spun Merino wool and cedar bark warp, merino weft yarns in black, natural, and angelfish blue, tin cones” (Lily Hope, Dezember 2020).

 

Maori in Aoteaora/Neuseeland schreiben Harakeke, ein in Aoteaora heimisches Liliengewächs auch bekannt als "Neuseeländischer Flachs" oder Phormium tenax, heilende Bedeutung zu. Traditionell werden aus Harakeke Kleidung, Matten oder Körbe geflochten. Die Künstlerin Purewa MacGregor bezieht sich auf das weitergegebene Wissen ihrer Vorfahren in der Gestaltung ihrer Harakeke-Maske für die Ethnologische Sammlung MNM.

Harakeke has been used by Maori dating back to pre-colonial times. Used to make clothing, mats and baskets just to name a few. Because Harakeke was such an integral part of everyday life it has since transcended hundreds of years later to modern times. Maori have a natural affinity with Harakeke and it is pivotal in our culture. I created Harakeke masks in response to the covid-19 pandemic. Maori believe heavily in the rongoa (healing) properties of Harakeke. Having the opportunity to create something that would resonate culturally with Maori, was a good starting point in the conversation around health during this crisis. Working with Harakeke can be difficult. It requires skill and commitment as the plant does not yield itself easily. The preparation is lengthy as is the weaving. A small piece like this mask takes at least 2 days. From Harvest, to preparation, weaving, and to finally drying. As a practitioner of traditional Maori Art it is a honour to work a medium that was so loved by my ancestors“ (Purewa McGregor, November 2020).

 

Diese Covid-Gesichtsmaske ist aus siapo, auch bekannt als tapa, gefertigt. Das Material wird in einem aufwendigen Prozess aus der Rinde des Papiermauleerenbaums hergestellt. Die Naturfarben sind aus unterschiedlichen Pflanzen gewonnen, wie Kurkumawurzel, Bischofia javanica, der Nuss des Lichtnussbaums und dem Annattostrauch. Die amerikanisch-samoanische Künstlerin Reggie Meredith fertigte diese Maske zur Zeit der Pandemie in einer limitierten Serie von 60 Stück an. Diese Maske war ein Geschenk von ihr an die Ethnologische Sammlung. Über ihre Arbeit sagt sie:

This siapo mask is a part of a series called "Ole Olaga i le Taimi Nei: Living in the Now". When the Covid-19 pandemic began in 2020, I felt helpless being far away from many friends, colleagues and family members who were suspectible to getting the disease. I remember thinking that I should make something to keep them safe from this sickness. My instinct led me to what I know best as an artist-- barkcloth--u'a-- beacuse siapo--(Samoan painted barkcloth) used for so many things, from clothing, to dividers of the home, shrouds, prestigious ceremonies and costumes. To date I have made over 300 siapo masks. The painted ancestral motifs are made of natural dyes from the forest. The patterns define different Samoan cultural concepts and the mask is like a warrior's shield going into battle“ (Reggie Meredith Fitiao, Siapo maker, Leone, Tutuila, American Samoa, August 2020).

2. Alltagsmasken aus traditionellen Textilien

Geschützt und dennoch modisch durch die Pandemie: Diese textilen Gesichtsmasken sind aus Wax-Print-Stoffen doppelt genäht und wendbar. Hergestellt und verkauft werden sie von dem ruandischen Label "Umudozi Alexander" des Designers Alexander Bell Nshimiyimana auf dem Kimironko Markt in Kigali. Die Masken stellen eine wichtige Einkommensquelle für die lokalen Schneider während der Pandemie dar, die weltweit auch wirtschaftliche Auswirkungen hat. Mit jeder verkauften Maske von Umudozi wird zudem eine weitere Maske an bedürftige Hilfsorganisationen gespendet.

3. Alltagsmasken als Zeichen des politischen Protests

Mit der Tötung von George Floyd am 25. Mai 2020 erlebte die im Jahr 2013 geborene Bewegung “Black Lives Matter” einen erneuten Aufschwung: Weltweit wurde gegen die Gewalt an und Tötung von People Of Color durch Polizist_innen, gegen Racial Profiling und Rassismus protestiert. Zum Infektionsschutz während der Covid-19-Pandemie wurden solche Masken zum Verkauf angeboten und prägen fortan die Bilder von den Protesten in den internationalen Medien.

Ein roter Handabdruck quer über den Mund: Diese Covid-Gesichtsmaske zeigt das Symbol der Solidarität mit vermissten und ermordeten indigenen Frauen und Mädchen in Nordamerika. Mit dem Akronym MMIW (Missing and Murdered Indigenous Women) auf die Beine gemalt und dem roten Handabdruck im Gesicht lief Jordan Marie Brings Three White Horses Daniel  (Kul Wicasa Oyate, South Dakota) im Jahr 2019 den Boston Marathon, um auf die Schicksale der verschwundenen Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen. Mit dem Erlös des Verkaufes solcher Gesichtsmasken machen Aktivist_innen weiterhin auf #MMIW aufmerksam. Erworben über den native-owned Shop: I am Kaw, USA.

"Vidas Indigenas Importam"/"Indigenes Leben ist wichtig" - dahinter steht eine von der brasilianischen Sängerin und Künstlerin Marcia Novo in Manaus ins Leben gerufene Kampagne. Die Kampagne wurde initiiert, um auf die dringend benötigte Versorgung der indigenen urbanen und ruralen Bevölkerung in der Amazonasregion während der Pandemie aufmerksam zu machen.

Internationale Medienaufmerksamkeit bekam die Kampagne unter anderem auch dadurch, dass die Krankenschwester Vanderlecia Ortega dos Santos (Witoto) eine solche Maske trug, während sie als Freiwillige im Parque dos Tribos tätig war und an öffentlichen Protesten in Manaus teilnahm.

Diese textile Gesichtsmaske entstand zur Zeit der COVID-19-Pandemie. Der Aufdruck nimmt Bezug auf die 2020 und 2021 aufkommenden Proteste für die Reform der Monarchie und Verfassung in Thailand: Das abgedruckte Symbol steht für die demokratische Bewegung und nimmt Bezug auf den Drei-Finger-Gruß aus der Filmproduktion "The Hunger Games", sowie auf eine Gedenkplakette zum Ende der absoluten Monarchie in Thailand 1932. Zum Schutz der Händler_innen wurden diese Masken nur online vertrieben.

4. Masken mit religiösen oder spirituellen Bezügen

Spiritualität und Pandemie: In Bangkok werden seit der COVID-19-Pandemie diese Stoffmasken in einem Ausstattungsgeschäft für Mönche angeboten. Sie sind aus prägnantem orangefarbenen Stoff gefertigt, der auch für die Roben buddhistischer Mönche benutzt wird. Es handelt sich hier  um ein dunkles Orange, eine Farbe, die สีพระราชทาน (Royal Gift Colour) genannt wird. Damit passen sie zu den Roben der Dhammayut, die zu der kleinen Gemeinde der Thai Theravada buddhistischen Mönche, zählen. Gegründet wurde diese eher konservative Gemeinschaft 1833 von König Mongkut (Rama IV), als dieser noch ein Mönch war.

Auf der Covid-Gesichtsmaske aus Baumwollgewebe ist mit bunten Seidenfäden die Virgin de Guadalupe, die Jungfrau von Guadalupe, gestickt. Vorbild ist das Gnadenbild Marias in der Basílica de Nuestra Señora de Guadalupe auf dem Berg Tepeyac in Mexiko Stadt. Unsere Liebe Frau von Guadalupe ist die Schutzpatronin Mexikos. Der Mund-Nasen-Schutz wurde zur Zeit der Covid-19-Pandemie erworben.

"Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" - so lautet das Zitat aus der Tora des Judentums (Lev 18,19), das in goldenem Garn auf diesen textilen Mund-Nasenschutz gestickt ist. Während der Covid-19-Pandemie wird die Maske in Los Angeles produziert und weltweit online gehandelt.

5. Alltagskultur/Popkultur

Goldglänzend und glitzernd ist diese Covid-Maske eine Hommage an das populäre mexikanische Wrestling, die Lucha libre. Die Wrestler, Luchadores, tragen bei ihren Auftritten eindrückliche Masken und Kostüme, die an Superhelden erinnern. Diese im Kampf angenommene fiktive Identität wird von den Luchadores nicht selten über den Kampf hinaus sogar fortgeführt.

Diese rot-goldene Maske ist eine Referenz an die Wrestlinglegende Manuel González Rivera (* 13. April 1936, † 12. September 2004), bekannt als Luchador "Dr. Wagner".