Joseph van Lerius
Junges Mädchen aus dem Hotzenwald, 1852
Über das Objekt
Der Blick der jungen Frau in Hotzenwälder Tracht verrät uns, dass ihr das Porträtiert-Werden unangenehm erscheint - schüchtern blickt sie zur Seite. Die Stofflichkeit der Kleidung ist gekonnt wiedergegeben. Gesicht, Arme und Hände sind leicht unscharf, was ihr etwas Zartes verleiht, das zu ihrer Jugend passt.
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Der belgische Künstler Joseph van Lerius unternahm immer wieder ausgedehnte Reisen nach Österreich, Deutschland oder Italien. Währenddessen bildete er die Landschaften ab und porträtierte die dort lebenden Menschen. Heute ist van Lerius vor allem als Porträtmaler bekannt. Bei einer dieser Reisen durch den Schwarzwald ist dieses Bild einer jungen Hotzenwälderin entstanden. Der Hotzenwald ist eine Region im südlichsten Südschwarzwald. Über die Region hinaus bekannt ist bis heute die Hotzenwälder Tracht, die auch die Porträtierte trägt. Van Lerius hat die junge Frau auf einer Wiese sitzend dargestellt. Sie blickt schüchtern zur Seite, als wäre ihr das Porträtiert-Werden unangenehm. Ihre Gesichts - züge hat der Künstler leicht verschwommen abgebildet, was ihrer Erscheinung etwas Zartes, Verletzliches verleiht, das zu ihrer Jugend passt. Sie trägt ein rotes, mit Stehkragen und Blumenstickereien verziertes Mieder. Farbenfrohe Mieder trugen im Hotzenwald vor allem die jungen Frauen, wohingegen die älteren sich mit schwarzen oder dunklen Farben kleideten. An den Seiten des Mieders schauen die weißen, aufgebauschten Leinenärmel hervor. Auf dem Kopf der jungen Hotzenwälderin sitzt eine schwarze Haube. Die langen Haare sind zu Zöpfen geflochten und fallen den Rücken hinunter. Die verschiedenen Stofflichkeiten der Kleidung hat van Lerius gekonnt wiedergegeben. Vermutlich hat er sich bei diesem und anderen Porträts von Franz Xaver Winterhalter inspirieren lassen, dem zu der Zeit größten Porträtmaler, der gerade im Abbilden von Stoffen besonders talentiert war. Außerdem finden sich in den Händen von Winterhalters Modellen immer wieder Rosenblüten; auch die Hotzenwälderin hält zwischen den Fingern der rechten Hand eine Rose. Zwar wirkt ihre Haltung etwas unnatürlich, dennoch verleiht dieses Accessoire dem Bildnis eine gewisse Eleganz und Leichtigkeit. Es scheint beinahe, als habe der Künstler hier ein ›modisches Bildnis‹ einer jungen Bauerstochter schaffen wollen. MIRJA STRAUB