Trommel | Aje

vor 1900

Über das Objekt

Die aje genannten Trommeln wurden von Frauen gespielt, eine große Ausnahme in Ozeanien. Sie begleiteten mit der Trommelmusik die Tänze der Männer, die zu besonderen Gelegenheiten aufgeführt wurden. Dafür erhielten die Frauen als Anerkennung Geschenke in Form von Nahrungsmitteln. Tänze und Musik stellten die Stärke der Männer vor oder nach einer kriegerischen Auseinandersetzung dar. Die Bespannung dieser Trommel ist aus einem Haifischmagen hergestellt. Dieses und weitere Objekte aus Mikronesien kamen über Eugen Brandeis nach Freiburg, der als Landeshauptmann der deutschen Kolonialregierung von 1898 bis 1906 auf der Insel Jaluit stationiert war. Die dem Museum als Geschenk zugekommene ethnographische Sammlung wurde jedoch von seiner Frau Antonie Brandeis zusammen getragen, die die Objekte auch ausführlich dokumentierte.
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Diese schlichte Sanduhrtrommel von den Marshall-Inseln wird aje genannt. Aje waren neben Schneckenhörnern (jilel) und Schlagstäben lange die einzigen Musikinstrumente auf den Marshallinseln, weshalb ihnen eine große Bedeutung zukam. Sie wurden bis zum Beginn des 20. Jahrhundert fast ausschließlich von Frauen gespielt, was für den pazifischen Raum eine Ausnahme darstellt. Zur Herstellung der Trommel wurden nur Ressourcen der Insel verwendet: Männer schnitzten aje aus dem harten Holz von Brotbaum und lukwej (Calophyllum inophyllum) und bespannten sie auf einer Seite mit einer Membran aus Fischhaut (meist Haifischmagen). Charakteristisch für künstlerische Objekte in Mikronesien wie diesem sind die einfachen, klaren Linien der Trommel ohne weitere Verzierungen. Am vorhandenen Exemplar sind deutliche Gebrauchsspuren zu erkennen, die auf eine intensive Nutzung schließen lassen. Gespielt wurden ajes meist im Sitzen. Dabei hielten die Frauen sie mit einer Hand auf dem Schoß und schlugen sie mit der anderen, flach gestreckten Hand. Ensembles aus weiblichen Sängerinnen und Trommlerinnen unterstützten und ermutigten mit den Klängen die Männer bei Kämpfen. Außerdem konnten bestimmte Signale durch die Trommeln weitergegeben werden. Außerhalb von Kriegen wurden mit der Musik Tänze und Dramen der Männer begleitet, in denen diese vor allem ihre Stärke zum Ausdruck brachten. Dies fand oft im Rahmen wichtiger Events und Feiern statt und ist in weitem Sinne mit westlichen Opern vergleichbar. Die Tänze waren vor allem dazu gedacht, das Publikum zu beeindrucken. Dass dies funktioniert hat, zeigen unter anderem Texte von deutschen Seefahrern, in denen Beschreibungen solcher Tänze zu finden sind. Auch bei der Navigation spielten die Klänge der Trommeln eine wichtige Rolle, da sie bei Nacht die Kanus zusammenhielten. Ajes sind auf vielen Zeichnungen und Fotografien von den Marshallinseln zu erkennen, auch ohne dass diese in begleitenden Texten erwähnt werden. Sie scheinen also ein wesentlicher Bestandteil des Alltags gewesen zu sein, der nicht weiter zu erklären war. Eine Folge der Kolonisierung der Marshallinseln durch Deutschland 1886 war die Einführung neuer Musikinstrumente auf den Inseln, was zu einem Bedeutungsverlust der aje führte. Heutzutage sind vor allem Keyboards, Gitarren, Mandolinen, Ukulelen und Schlagzeuge in der populären Musik der Marshall-Inseln zu finden. Die in Freiburg befindliche aje sollte schon mit der ersten Sendung des Ehepaars Brandeis im April 1900 an das Museum für Natur- und Völkerkunde gehen. Wie aus dem Kommentar von Antonie Brandeis hervorgeht, fehlte jedoch die Bespannung, die sie nachträglich anfertigen ließ. Die Trommel kam dann mit der zweiten Sendung im November 1901 an das Museum. (Text von Anna Sorg, redaktionell überarbeitet und ergänzt von Godwin Kornes)

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